The United States of Astor

Mr. Schwertfeger, wie lange waren Sie bereits Richter am Obersten Gerichtshof von Dionysos? Haben Sie sich schon mit den astorischen Gesetzen vertraut gemacht?

Mr. President, ist der Vorgeschlagene bereits anwesend? Undeutliches Gemurmel im Hintergrund.

Nun, ich werde schon einmal meine Fragen stellen.

Mr. Schwertfeger, wir kennen uns bisher nicht. Daher bin ich genauso neugierig wie meine Senatskollegen, wer Sie sind und was Sie bisher in Ihrem Leben getan haben. Vielleicht können Sie uns dazu einen kurzen autobiographischen Überblick vortragen mit besonderer, aber nicht exklusiver Betonung auf Ihre bisherigen juristischen Arbeiten.

Ich habe hier schon vernommen, dass Sie offenbar aus Dionysos kommen. Wo sehen Sie die wichtigen Unterschiede zwischen dem dionyschen und dem astorischen Rechtssystem? Was sind für Sie, überhaupt, die wichtigsten Merkmale des astorischen Rechtssystems?

Mr. Schwertfeger, wie bewerten Sie die aktuell von manchen geführte Diskussion, President Jefferson sei zu Unrecht vereidigt worden, da Mr. Madison nicht automatisch mit Verlust der Staatsbürgerschaft auch sein Amt verloren hätte?

Für den Moment habe ich keine weiteren Fragen an den Kandidaten.

Mr. President, werte Herren Senatoren, bitte gestatten Sie mir, dass ich mich zuerst bei Ihnen für die Möglichkeit bedanke, diesem Haus Rede und Antwort stehen zu könne. Es ist mir eine große Ehre.

Senator Fillmore, Senator Jackson, gern möchte ich auf Ihre Fragen zuerst einen kurzen Abriss meines bisherigen Lebens abgeben, damit Sie und Ihre Kollegen erst einmal erkennen können, mit wem Sie es überhaupt zutun haben.

Vor mittlerweile 46 Jahren wurde ich in Attrex, einer Kleinstadt im Land Doiyran, eines Bundeslandes der Republik Dionysos geboren. Ich bin unverheiratet und habe keine Kinder.

Nach der Schulzeit begann ich eine Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich und war nach deren erfolgreichem Abschluss in einem Großhandelsunternehmen tätig. Berufsbegleitend absolvierte ich dann noch eine Ausbildung zum Rechtsanwaltsfachangestellten. Nach deren Beendigung wechselte ich in eine Rechtanwaltskanzlei und arbeitete dort mehrere Jahre. Auf der Grundlage einer weiterführenden Ausbildung mit Abschluss als Rechtsfachwirt war ich in der Kanzlei viele Jahre als Bürovorsteher tätig.

Ende des Jahres 2006 zog es mich dann in die Politik. In einer Phase politischer Instabilitäten in Dionysos, bewarb ich mich als unabhängiger und parteiloser Kadidat für das Amt des Kanzlers der Republik Dionysos und wurde überraschend mit einer sehr klaren Mehrheit in das Amt gewählt. Während der ersten Hälfte meiner Amtszeit als Regierungschef bekleidete ich auch das Amt des Wirtschaftsministers, übernahm jedoch in der zweiten Hälfte das Justizressort. In meine Amtszeit fällt die Erarbeitung und Durchführung einer weitreichenden Justizreform für die Republik Dionysos.

Nach Ablauf der Amtszeit als Kanzler stellte ich mich nicht wieder zur Wahl, da ich erkannte, dass mir aktive, offensive und öffentlichkeitswirksame Politik, die in Dionysos von einem Kanzler erwartet wird, nicht liegen. Ich besitze eher eine Kaufmanns- und Juristenseele, die lieber längerfristig strategisch denkt und von recht viel objektiven Gesichtspunkten geleitet wird. Der schnelllebige und oft mehr scheinen als sein wollende Politikbetrieb ist nicht so mein Ding.

Nach dem Abschied als Regierungschef, bewarb ich mich um das Amt eines Richters am Obersten Gerichtshof der Republik Dionysos und wurde von einer deutlichen Mehrheit der Wähler in diese Amt berufen. In Dionysos müssen sich Richter am OGH dem Votum aller Wahlberechtigten stellen. Seit 30.04.2007 bin ich nun am OGH in Klauth tätig und sitze derzeit der Abteilung für Strafsachen vor. Nach Ablauf meiner ersten Amtszeit wurde ich im Oktober 2007 mit 82% der Stimmen von den Dionern im Amt bestätigt.

Soviel erst einmal zu meinem bisherigen Lebensweg, meiner beruflichen Entwicklung und meinen juristischen Tätigkeiten.

Meine Herren Senatoren Fillmore und Jackson, auch zu Ihren Fragen bezüglich meiner Kenntnisse und Einschätzungen des astorischen Rechtssystems und dessen Unterschiede zum dionyschen möchte ich Ihnen gern antworten.

Selbstverständlich habe ich mich im Vorfeld meiner Bewerbung für das hohe Amt eingehend mit dem Rechtssystem der Vereinigten Staaten vertraut gemacht. Und genauso selbstverständlich tue ich dies immer weiter, indem ich alle öffentlich zugänglichen Quellen nutze. Die Kongressbibliothek ist da genauso ergiebig, wie die Archive der einzelnen Staaten und natürlich auch das Archiv des Supreme Courts selbst.

Den Eindruck, den ich vom astorischen Rechtssystem bisher gewonnen habe und den Vergleich zum dionyschen möchte ich vielleicht mal grob so beschreiben. Das astorische Gesetzeswerk ist, auch auf Grund des strikt gelebten Föderalismusses recht breit angelegt. Dafür ist es gegenüber dem dionyschen in manchen Rechtsgebieten weniger detailliert, deckt einige Gebiete fast garnicht ab und ist etwas stark auf das öffentiche Recht fixiert.

Im Verfahrensrecht sind die gesetzlichen Vorgaben in Astor geringer als in Dionysos, was dem Amt des Richters einerseits vergleichsweise größere Handlungs- und Gestaltungsspielräume eröffnet, ihm andererseits natürlich auch eine höhere Verantwortung überträgt. Auf alle Fälle ist das astorische Verfahrensrecht mit den größeren Kompetenzen der Richterschaft eine hochinteressante Herausforderung für jeden Juristen.

Werter Senator Jackson, bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich zu konkreten Fällen, welche mir unter Umständen, so ich in das Amt des Chief Justice berufen werden sollte, zur Entscheidung vorgelegt werden könnten, in der Öffentlichkeit nicht wertend äußern möchte. Das widerspricht meiner Auffassung von der absoluten Neutralität eines Richters gegenüber allen Parteien in einem möglichen Gerichtsverfahren.

Vielen Dank, Mr. Schwertfeger.

Ich möchte noch einmal nachfragen: Sie wollen gleichzeitig das Amt des Richters in Dionysos und den Vereinigten Staaten wahrnehmen? Mr. Schwertfeger, Sie werden mir zustimmen, dass ein Mensch nicht überall sein kann. Was ist, wenn Sie sich gerade in Dionysos aufhalten und in Astor werden Sie aufgrund einer dringenden Entscheidung gebraucht? Was, wenn Sie gerade eine Verhandlung führen und in Astor ein Eilverfahren ansteht, brechen Sie die Verhandlung in Dionysos dann ab?

Es tut mir Leid, aber unter diesen Umständen schiene mir eine Ernennung für dieses wichtige Amt nicht unbedingt ratsam.

Senator Jackson, um Ihre Nachfrage zu beantworte: Ja, ich beabsichtige, so mir das Amt des Chief Justice übertragen wird, auch weiterhin das Amt des Richters am OGH in Dionysos wahrzunehmen.

Der Oberste Gerichtshof in Dionysos ist derzeit mit drei Berufsrichtern voll besetzt, sodass in dem unwahrscheinlichen Fall, dass ich hier in Astor unabkömmlich sein sollte, für dringende Entscheidungen ohne Zeitverzug in Klauth ein Ersatz jederzeit verfügbar ist.

Außerdem sehe ich keine Probleme, dass ich unter Nutzung der zur Verfügung stehenden modernen Verkehrsmittel zu unaufschiebbaren und zeitkritischen Vorgängen zwischen meinen Arbeitsorten pendeln kann.

Sollten jedoch die ehrenweren Senatoren darin wirklich ein unüberwindbares Problem sehen, muss ich Ihnen Senator Jackson Recht geben. Dann sollten sich die Senatoren meine mögliche Berufung zum Chief Justice hier noch einmal genau überlegen.

Ich gehe jedenfalls davon aus, dass ich beide Ämter unter Nutzung aller vorhandenen technischen und organisatorischen Möglichkeiten problemlos wahrnehmen kann.