Mr Powell, Sie mögen zu einer anderen Beurteilung kommen als ich, aber wenn Sie Argumente als "Schwachsinn" abtun wollen und damit allein zu einer exklusiv richtigen Lösung kommen wollen, haben Sie nicht nur einige juristische Vorlesungen verschlafen, sondern auch die eine oder andere Stunde "Respekt und Anstand".
Sie teilen nicht meine Position zur Frage "Stellt die Streichung eines Straftatbestandes eine Änderung der Strafandrohung dar?", ich teile nicht Ihre. Die Frage nach der von Ihnen angesprochenen Qualifikation gehört in diesem Zusammenhang nicht hier her, aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie irren.
Ich vertrete, dass die Streichung des Tatbestandes eine Änderung der Strafandrohung beinhaltet, weil aus der Natur der Sache heraus ein nicht existierendes Strafgesetz andere Rechtsfolge - gar keine mehr - vorsieht. Sie schränken den Begriff der "Änderung" ein auf das Erhöhen oder Senken der Strafrahmens. "Ändern" heißt im natürlichen Sprachgebrauch schlicht, etwas von einem Zustand in einen neuen Zustand mit anderen Eigenschaften zu überführen. Sollten Sie für einen anderen Sprachgebrauch der Juristen plädieren wollen, fehlt mir dafür ein konkreter Anlass. Aus meiner Sicht - und die müssen Sie nicht teilen, aber können Sie hoffentlich nach einigem Nachdenken zumindest nachvollziehen - stellt eine engere Interpretation des Begriffs "Änderung" eine Reduktion der Bestimmung dar - das war es, was ich als "Rechtsfortbildung" bezeichnet habe, bitteschön nicht die Anwendung des Gesetzes.
Sie vertreten, der Gesetzgeber hätte anders formuliert, wenn er nur die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in Betracht hätte sehen wollen. Das ist nun eine Mutmaßung, denn der Wille des Gesetzgebers zu explizit diesem Teilsatz ist jedenfalls nicht überliefert. Ich bezweifle, dass ein Kongressmitglied überhaupt vertieft darüber nachgedacht hat.
Aber folgen wir dem einfach einmal: Dann ist ein Angeklagter zu einer milderen Strafe zu verurteilen, wenn der Strafrahmen von 10 auf 1 Tag reduziert wird, weil der Kongress das Delikt etwa für zukünftig weniger strafwürdig hält. Schafft er das Delikt aber ab, weil er es für überhaupt nicht mehr strafwürdig hält, bleibt es bei der härteren Strafe. Das ist sicher mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang zu bringen, aber zwingend ist es nicht. Betrachten wir aber die Intention des Gesetzgebers, alle den Strafrahmen betreffende Änderungen vor der Verurteilung so anzuwenden, dass es für den Täter am günstigsten ist, kommen wir zu dem Schluss, dass zwischen beiden Konstellationen wohl ein Wertungswiderspruch gegeben ist, denn die zukünftig weiter strafbare Handlung wird in der Strafzumessung besser gestellt als die zukünftig nicht mehr strafbare Handlung. Dies ignorieren Sie - vielleicht, weil Ihnen die Vorschrift nicht gefällt?
Was Ihre Kritik an dem Konzept einer "Strafreduzierung auf Null" angeht, so missachten Sie eines: Weder gibt es gefestigte Rechtsprechung zur gesetzlichen Formulierung, noch können wir einfach über unseren juristischen Tellerrand schauen, denn dort gibt es diese Formulierung nicht. Was ich daher vorgeschlagen habe, sind zwei Betrachtungsweisen, die man nun annehmen kann, wenn man die Streichung des Tatbestandes - auch - als eine Änderung der Strafandrohung ansieht.
- Variante A: Die Änderung des Strafrahmens ist nur Voraussetzung der Anwendung des Sen. 2 und "dasjenige [mildeste] Gesetz" meint tatsächlich das gesamte Strafgesetz, mithin Tatbestand und Rechtsfolge. Da der Tatbestand entfallen ist, findet kein Gesetz mehr Anwendung, die Handlung ist schon tatbestandslos und damit straffrei.
- Variante B: Wenn nur die Änderung des Strafrahmens in der Anwendung des neuen Strafgesetzes eine Rolle spielen soll, wir also den Begriff "dasjenige [mildeste] Gesetz" auf die neue Strafandrohung reduzieren und alle anderen eventuellen Änderungen der Norm außer Betracht lassen um dem Grundsatz der Geltung des Gesetzes bei der Tatbegehung näher zu bleiben - was Ihrer Position vielleicht sogar eher entspricht. Der Tatbestand wäre in diesem Fall aus der früheren Gesetzesfassung zu nehmen, die Strafandrohung aus dem jeweils für den Täter günstigeren Gesetz. Der Begriff "Strafreduzierung auf Null" beschreibt dann, was der Gesetzgeber getan hat, nämlich durch Streichung bestimmt, dass zukünftig kein Strafmaß mehr gelten soll. Genauso gut - aber natürlich unsauber in der gesetzlichen Gestaltung hätte er ihn umformulieren können: "Wer X tut, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 0 Tagen bestraft." Daher diese rhetorische Figur.
Sie können mich nun zu überzeugen versuchen, dass ich "Ändern" zu weit definiere oder den Telos der Norm - die Anwendung des "
lex miltus" im Falle der Änderungen am Strafgesetz fehldeute, aber das ist zugegebenermaßen nun nicht mehr von Interesse für die Allgemeinheit. Einigen wir uns also, dass wir nicht einig sind.