*tritt etwas schüchtern ans Pult*
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zunächst einmal möchte ich mich beim Jewish Comittee für die Einladung bedanken, die ich natürlich sehr gerne angenommen habe. Es ist schön zu sehen, dass die Juden sich in der Diaspora nicht verstecken und dass sie zu ihrer Heimat Sebulon stehen.
Nun bin ich heute hier um über das Produktions- und Siedlungssystem der Kibbuzim zu sprechen. Um einen geeigneten Einstieg zu finden möchte ich erst einmal von mir selbst sprechen und ich vorstellen. Wie Sie ja sicherlich wissen ist mein Name Moshe Ben Ephraim. Ich bin Rabbiner und Vorsitzender der Zionistischen Siedlungsgenossenschaft. Geboren wurde ich am 10.09.1960 in dem wunderschönen Sebulon geboren nachdem meine Eltern den Schritt zur Aliyah gewagt hatten. Ich bin somit ein sog. Sabre. So nennt man bei uns die im Land Geborenen. Aufgewachsen bin ich in einem Kibbuz. Damals in meiner Jugend war das Netz der Kibbuzim, wie ich leider zugeben muss, wesentlich vielfältiger und ausgeprägter. Doch mit den Jahren und dem Anstieg der Bevölkerungszahlen in Sebulon ging langsam eine große ƒra der Kibbuzim zu Ende. Städte wie Salem,Erez oder Dan wurden immer größer und es zog die Menschen von dem ländlichen Leben im Kibbuz in die Großstadt. Diese Entwicklung ging so weit, dass letztendlich kaum noch Kibbuzim vorhanden waren und diese immer mehr aus dem gesellschaftlichen Bild Sebulons verschwanden.
Doch seit einiger Zeit erlebt das Siedlungskonzept der Kibbuzim glücklicherweise wieder einen rasanten Aufschwung. So gründete ich mit ein paar Mitstreitern seit Jahren wieder den ersten Kibbuz. Wir gaben ihm den Namen ÑChowewe Zion"- Freunde Zions. Doch ein neuer Kibbuz ist nicht genug. Deshalb gründete sich die ÑZionistische Siedlungsgenossenschaft der Kibbuzim-Chowewe Zion". Unsere Institution hat es sich zum Ziel gesetzt wieder mehr Kibbuzim zu errichten, die Menschen Sebulons für ein Leben im Kibbuz zu begeistern und uns Kibbuz-Leute wieder zu einem festen Bestandteil der Gesellschaft zu machen. Durch meine eigenen schönen Kindheitserfahrungen im Kibbuz kann ich mich dieser Arbeit mit voller Leidenschaft hingeben. So sieht es also aktuell mit den Kibbuzim in Sebulon aus. Und nun möchte ich Ihnen gerne das Konzept eines Kibbuz erklären.
Es gibt für uns prinzipiell zwei große Schlagwörter: GEMEINSCHAFT und EIGENSTƒNDIGKEIT.
Das wirtschaftliche Ziel des Kibbuz ist stark von sozialistischen Idealen geprägt. Jeder arbeitet so viel wie er kann und kriegt das was er braucht. Bei uns gibt es keine festen Pausenzeiten oder ähnliches. Wenn du eine Pause brauchst dann machst du halt eine Pause. In einem Kibbuz leben wir im Kollektiv. Alles was wir erwirtschaften gehört der Gemeinschaft. Es sind also alle Bewohner irgendwie an der wirtschaftlichen Produktion beteiligt. Jeder Kibbuz ist je nach seiner geografischen Lage auf bestimmte Gebiete spezialisiert. So konzentriert sich der Kibbuz Chowewe Zion beispielsweise auf den Anbau von Orangen, welche anschließend ins ganze Land exportiert und im Kibbuz verzerrt werden. Das dadurch erwirtschaftete Geld kommt der Gemeinschaft und der Kibbuz-Wirtschaft zu gute. Natürlich kann man nicht nur allein von einem Produkt als Kibbuz überleben. Zudem züchten die meisten Kibbuzim auch noch Kühe, Pferde, Schafe und betreiben eine allgemeine Landwirtschaft zum Überleben. Wirtschaftlich ist das Ziel des Kibbuz unabhängig von der Weltwirtschaft existieren zu können.
Doch wie ich finde ist das kulturelle Leben eines Kibbuz noch wesentlich interessanter als der wirtschaftliche Aspekt. Wie bereits erwähnt spielt auch das Wort ÑGemeinschaft" eine große Rolle. Wenn sie mir recht folgen konnten ist ihnen sicherlich aufgefallen, dass sich alle Bewohner an der wirtschaftlichen Produktion beteiligen. Doch was ist nun mit den Kindern?
Ganz einfach. Die Kinder besuchen tagsüber, während ihre Eltern arbeiten den Kindergarten oder die Kibbuz-Schule. Neben der Bildung ist ein wichtiges Ziel dieser beiden Einrichtungen, dass wir unsere Kinder schon früh zu verantwortungsbewussten Menschen erziehen, die die Fähigkeit besitzen sich auch in einer Gemeinschaft einzufügen.
In der Schule hält sich der Kibbuz an den staatlichen Lehrplan. Allerdings gibt es noch ein Zusatzfach mit den Namen ÑEinführung in die landwirtschaftliche Produktion".
Die Zionistische Siedlungsgenossenschaft, die für die meisten Kibbuzim den Dachverband darstellt, hat sich programmatisch dem sozialistischen Zionismus unter religiöser Ethik verschrieben. Nicht alle Kibbuz-Bewohner sind religiös. Doch trotzdem eint das jüdische Volk die gemeinsame Geschichte und die Legenden von den Propheten. Unsere Kibbuz-Küche ist strikt koscher. In unseren Kibbuzim finden alle Strömungen des Judentums ihren Platz. Wir haben rein orthodoxe, rein liberale aber auch gemischte Kibbuzim. Denn uns eint ja trotz alle dem unser Glaube und die Vorstellung von einem genossenschaftlichen Leben.
Dieses Gemeinschaftsgefühl spiegelt sich auch in der Freizeitgestaltung wieder. Mit unseren Kindern unternehmen wir viele Exkursionen zu den heiligen Stätten des Landes, aber auch in Freizeitparks etc. So fahren wir beispielsweise jedes Jahr zu Pessach alle gemeinsam nach Salem in die heilige Stadt. Man ist nicht gezwungen seine Freizeit mit den anderen zu verbringen, aber es ist doch so, dass wir wie unsere Produktionsgüter auch unsere Leiden und Freuden teilen. Ob das nun am Lagerfeuer oder in der Kibbuz-Synagoge ist. Wir leben in einer Gemeinschaft.
Ich danke ihnen mit einem herzlichen ÑKol Tov"(Alles Gute) für ihre Aufmerksamkeit.
Gibt es von Ihrer Seite noch Fragen oder Diskussionsbedarf?