Mr. President,
ein gewisses Aktivitätserfordernis für Kongressmitglieder zu bestimmen hat in den Vereinigten Staaten eine langjährige Tradition, und ist übrigens auch in anderen Ländern in deren Parlamenten nicht unüblich.
Wenn man dagegen nun mit der Freiheit des Mandates argumentiert, müsste man als nächsten Reformschritt konsequenterweise auch die Regelung aus dem Staatsbürgerschaftsrecht streichen, dass ein US-Bürger wenigstens einen Beitrag alle 28 Tage im simulationsinternen Teil des Forums abzusenden hat. Ist es denn nicht auch jedermanns private Angelegenheit, ob und was er aus seiner Rechtsstellung als Bürger der Vereinigten Staaten macht? Zumal die Teilnahme an Wahlen zumindest auf Bundesebene ja sowieso an die Eintragung in ein Wählerverzeichnis gebunden ist?
Bloß, was nutzte es den Vereinigten Staaten und ihren aktiven Bürgern, wenn die Bürgerliste u. U. hunderte von Namen umfasste, von denen sich aber nur ca. 10% oder so am politischen und gesellschaftlichen Leben beteiligen? Und was nutzte es eigentlich den inaktiven Bürgern, quasi ewiglich auf der Bürgerliste geführt zu werden, wenn sie ihre damit einhergehenden Möglichkeiten gar nicht nutzen?
Und was nutzen dem Kongress ein inaktives Mitglied, und den Bürgern inaktive Abgeordnete und Senatoren? Aktivität ist das Öl, das sowohl die Vereinigten Staaten im Ganzen als auch den Kongress im Besonderen am Laufen erhält. Inaktive Bürger sind letztlich nur ein bürokratisches Ärgernis für das Registration Office. Inaktive Kongressmitglieder aber sind Sand in dessen Getriebe. Sie blockieren Einflussmöglichkeiten für potenziell aktive Parlamentarier, und lähmen auf diese Weise den Fortschritt.
Was bringt es, als Bürger in öffentlichen Diskussionen Kritik anzubringen oder Ideen vorzutragen, wenn im Kongress niemand sitzt, der sich dieses Inputs annimmt?
"Gewählt ist gewählt, ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern, das ist ja das geile an der Demokratie"? Obwohl man seinen Wählerauftrag nicht erfüllt, und sich dabei frecherweise auch noch auf seine besonderen Rechte und Priviliegien als Kongressmitglied beruft?
Das freie Mandat ist keine Absolution für ein Kongressmitglied, in dieser Funktion zu tun oder eben zu lassen, was es will. Es ist eine Freiheit zur Verantwortung. Es soll das einzelne Kongressmitglied befähigen, unabhängig von z. B. Parteihierarchien oder dem Weißen Haus, die Interessen seiner Wähler zu vertreten. Es ist kein Freifahrtschein, dem Rest der Welt die Zunge herauszustrecken weil man ja eine Art Immunität gegen Konsequenzen aus der Beurteilung seiner Leistungen besitzt. Es ist vielmehr eine Aufgabe. Und wer diese Aufgabe objektiv nicht erfüllt, der sollte auch entsprechend vorzeitig von ihr entbunden werden können.
Ich halte ein Kongressmitglied wie der Senator von New Alcantara es skizziert sicherlich für ein ausgesprochen schlechtes Beispiel an Pflichterfüllung. Aber ich denke mit Blick auf die nach heute etwas mehr als drei Viertel seiner laufenden Legislaturperiode mehr als halbleeren Ränge des Repräsentantenhauses, dass diese Art der nur scheinbaren Pflichterfüllung von Volksvertretern gar nicht unser Problem ist. Ein Kongressmitglied, das nur in einem Satz Zustimmung oder Ablehnung zu einer Vorlage bekundet sowie an Abstimmungen teilnehmt erfüllt, erfüllt seine Aufgabe sicherlich nur mit erheblichen Mängeln. Aber im Ergebnis erfüllt sie eben dennoch - leidlich, arg verbesserungsbedürftig, aber immerhin. Hätte das Repräsentantenhaus mehr solcher Mitglieder gehabt, es hätte in den letzten Wochen und Monaten sicherlich erheblich unter seinen Möglichkeiten und somit unbefriedigend gearbeitet.
Aber statt dessen hatte es Mitglieder, die noch nicht einmal dieses Minimum an Einsatz und Engagement gezeigt haben. Sondern die wochenlang überhaupt keinen Finger für ihr Mandat gekrümmt haben. Tut man denen nun Unrecht, wenn man ihnen ihr Mandat entzieht, während Abgeordnete mit einzeiligen Redebeiträgen und Abstimmungsbeteiligungen ihres behalten dürfen? Ich kann diesen Gedankengang nicht nachvollziehen.
Vergleicht man einmal die Häufigkeit von Mandatsverlusten wegen Nichtteilnahme an den Geschäften des Kongresses mit Mandatsniederlegungen wegen zeitlicher Überbeanspruchung, offenbart sich für mein Dafürhalten eine ziemliche parlamentarische wie staatsbürgerliche Unkultur. Dieses Verständnis von: "Ich bin eben gewählt, ich kann jetzt machen was ich will, ich bin vielleicht nicht so redegewandt oder informiert wie andere Mitglieder, und meistens kommt es ja sowieso nicht auf meine Stimme an, aber ich bin gewählt und niemand hat das Recht mich zu kontrollieren oder mir Vorschriften zu machen", ist mit absoluter Sicherheit nicht, was die Schöpfer unserer Verfassung im Sinn hatten.
Demokratie lebt von der Beteiligung, in der Bevölkerung wie im Parlament. Wer noch nicht einmal das Mindestmaß an Beteiligung am öffentlichen Leben in den Vereinigten Staaten zeigt - ein Beitrag binnen 28 Tagen - der braucht erkennbar auch keine Staatsbürgerschaft. Wer noch nicht einmal mitbekommt, dass Wahlen anstehen und weiß, dass er sich dazu in das Wählerverzeichnis einzutragen hat - der braucht auch kein Wahlrecht. Und wer noch nicht einmal einen einzeiligen Redebeitrag oder eine Abstimmungsbeteiligung binnen einer Woche zu Wege bekommt - der braucht auch kein Kongressmandat. Und am allerwenigsten braucht er sich zu seiner Verteidigung auf seine verfassungsmäßigen Rechte als Kongressmitglied zu berufen - denn diese sind nicht für ihn da, sondern für das Volk.
Oberster Gradmesser der Lebensqualität in den Vereinigten Staaten und ihres Erfolges als Staatswesen ist die Aktivität. Und oberster Gradmesser für die Funktionalität des Kongresses ist dessen Aktivität. Kongressmitglieder werden nicht gewählt, um Rechte zu haben und sich in ihnen zu sonnen. Sie werden gewählt, um ihre Rechte - Anträge stellen, an Aussprachen teilnehmen, ihre Stimme abgeben - im Interesse des Volkes zu nutzen.
Wer das nicht kann oder will, der ist hier fehl am Platze.