Original von Leo McGarry
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Zunächst einmal ist deine Darstellung meiner Aktivität in der DU erweislich unwahr. Richtig ist, dass ich am Sonntagnachmittag und -abend seit längerer Zeit dort mal wieder etwas aktiver war und einige Beiträge geschrieben habe. Was du geflissentlich unterschlägst ist, dass ich dort - von einem kommissarischen Parteivorsitz einmal abgesehen - keinerlei Ämter mehr innehabe, sondern diese bereits zu Anfang dieses Jahres sämtlich niedergelegt habe, da ich mich einer Doppelbelastung durch Führungspositionen sowohl dort als auch in Astor nicht gewachsen gesehen habe. Ebenso sind dir beim Zählen meiner Beiträge vom vergangenen Sonntag offenbar jene, weder wenigen noch kurzen Phasen entgangen, in denen ich seit Übernahme der Präsidentschaft in Astor gar nicht in der DU aktiv war, und möglicherweise einige mal sogar der 28-Tage-Regel ernsthaft nähergerückt bin. Ohne deine wahrheitswidrige Behauptung, ich sei in der DU aktiv während ich in Astor inaktiv sei nimmt sich die deiner Darstellung so vernichtende Kritik an mir bzw. meiner Amtsführung gleich wesentlich unsubstanziierter und harmloser aus.
Die eingeschliffene Schrulle vor allem des Anderson-Spielers, unbeirrt darauf zu beharren, dass der Regierungschef der Alleinunterhalter sei und auf irgendeine scheinbar auch ihm verborgene Weise für Aktivität zu sorgen habe, erfährt auch dadurch keine sachliche Rechtfertigung, dass du sie jetzt nachorgelst. Ausweislich der noch nicht zensusbereinigten
Aufstellung der wahlberechtigten Bürger gibt es derzeit einundvierzig Astorier. Natürlich mag man sich auf den Standpunkt stellen, die bloße Anmeldung zum Spiel verpflichte doch erklärter- und bewährtermaßen zu noch gar nichts, eine Aktivitäts- und insbesondere Gestaltungspflicht träfe nur die Inhaber öffentlicher Ämter und Funktionen, aber ich halte das für zu kurz gedacht. Zumindest würde ich die Gleichung aufstellen, legitimerweise nur das vom Spiel bzw. meinen Mitspielern erwarten zu können, was ich auch selbst zu investieren bereit bin und investiere. Wer etwas von diesem Spiel erwartet, der hat auch die Pflicht einen entsprechenden eigenen Beitrag zu leisten, und wer selbst nichts beiträgt, der kann andere nicht für ihre fehlenden oder ungenügenden Beiträge schelten.
Recht hat wer sagt: "Ich bemühe mich als [hier Amt oder Funktion einsetzen] um [hier Vorschläge, Ideen, Initiativen usw. zur Weiterentwicklung des Spiels und der Simulation einsetzen], aber niemand geht darauf ein, setzt sich damit auseinander, unterstützt oder kritisiert es, oder unterbreitet Gegenvorschläge", fair verhält sich wer sagt: "[Hier Amts- oder Funktionsinhaber einsetzen] bringt zu wenig zur Weiterentwicklung des Spiels und der Simulation ein, aber ich räume ein, dass ich das zur Zeit oder überhaupt auch nicht tue, weil [hier Begründung einsetzen]". Hypokritisch und selbstgerecht handelt hingegen wer sagt: "Ich besitze die Größe und Bescheidenheit offen zu sagen, dass ich wegen [hier Begründung einsetzen] nichts konstruktives zum Spiel beitragen kann, und deshalb habe ich das Recht jedem beliebigen Anderen nach meinen Maßstäben Nachlässigkeit, Inkompetenz oder Inaktivität vorzuwerfen, ohne zu sagen was sie besser machen könnten, sollten oder müssten, denn ich gebe ja gerade zu, dass ich es selbst auch nicht könnte".
Diese Geisteshaltung ist noch für jede Micronation der Freifahrtschein in Stillstand und Inaktivität, denn sie entzieht ihr die Dynamik. Wer trotz micronationaler Erfahrung nicht weiß, was er in welcher Funktion auch immer - vom einfachen Bürger bis zum Regierungschef - tun kann, um etwas in Bewegung zu bringen oder Anstöße anderer Mitspieler in Bewegung zu halten, der ist vielleicht bis wahrscheinlich in anderen Gattungen von Simulationen bzw. Rollenspielen besser aufgehoben, namentlich solchen, in denen ein Spielleiter konkrete Situationen und Ereignisse, sowie ggf. bestimmte Handlungsoptionen zur Auswahl, vorgibt.
Der astorische Präsident bzw. seine Administration sind nun einmal keine den Gang des Geschehens lenkende Spielleitung, schon deshalb nicht, weil ihnen die Macht fehlt, die Spielerschaft vor jedes ihnen zum Fortgang der Simulation geeignet erscheinendes Szenario zu stellen und dieses notfalls auch ohne jede sinnvolle Reaktion dieserseits so lange weiterzuspinnen, bis vielleicht einmal jemand darauf eingeht. Sie sind vielmehr ihrerseits nur ein Bestandteil der Spielerschaft, mit klar und durchaus eng begrenzten Handlungsmöglichkeiten - im Inneren rechtlich etwa durch die Bundesverfassung und tatsächlich durch die Aktivität der anderen Verfassungsorgane, der Opposition, der Parteien, der Medien und der gesellschaftlichen Gruppen, im Äußeren durch die Aktivität, Ziele und Interessen der mit Astor interagierenden anderen Micronationen. Der Präsident und die Administration können nur so aktiv und kreativ sein wie das Umfeld in dem sie wirken.
Das bedeutet jetzt natürlich kein Abwälzen aller Ursachen für die strukturellen Probleme Astors auf jeden und alle außer dem Präsidenten und der Administration. Natürlich treffen auch diese die Pflicht und Verantwortung, im Rahmen ihrer rechtlichen wie tatsächlichen Möglichkeiten Impulse zu geben, sowie Initiativen der anderen Spielteilnehmer aufzugreifen und voranzubringen. Nur muss man sich vor Augen halten, dass die Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Administration erstens qua Verfassung, und zweitens als Ergebnis der längerfristigen Entwicklung der Simulation wie bereits gesagt eng begrenzt sind. So legt die Verfassung das Schwergewicht der Gesetzgebung auch und gerade zu solchen Themen, die für den typischen und druchschnittlich USA-interessierten Mitspieler von gesteigertem Interesse sind in die Hände der Bundesstaaten, entzieht sie den Einflussmöglichkeiten der Bundesregierung also ganz und gar. Eine Rechtssprechung entsprechend jener des realen US Supreme Court, die z. B. Maßnahmen wie eine Beeinflussung der bundesstaatlichen Gesetzgebung etwa durch die Gewährung oder Versagung von Bundeszuschüssen in Abhängigkeit vom Inhalt der Regelung einer Materie in der einzelstaatlichen Gesetzgebung billigt, gibt es in Astor erstens nicht, und würde sich auch zweitens niemals durchsetzen. Die Verfassungsorgane des Bundes sind gezwungen mit dem zu arbeiten, was die Verfassung dem Bund an Zuständigkeiten zuweist, und das ist - ohne die Judikatur des realen Supreme Court - sehr wenig.
Und weiter ist die Gesetzgebung auch sowieso Aufgabe des Kongresses, und nicht der Administration ist. Der Umstand, dass diese zwar in der Praxis regelmäßig Gesetzesvorlagen einbringen kann, da es personelle Überschneidung zwischen Kongress und Administration gibt, ist ein Ausfluss des wohlweislich vorausgesehenen Umstandes, eine Inkompatibiltät auch zwischen Ministeramt und Kongresszugehörigkeit personell nicht zu bewältigen zu können. Es bedeutet keine konzeptionelle Aufgabenzuweisung an die Administration, sich stetig am Gesetzgebungsprozess zu beteiligen. Hier ist die Initiative der Repräsentanten und Senatoren gefordert, nicht des Präsidenten oder der Administration.
Tatsächlich hat Astor, indem es die reale US-Verfassung in weiten Teilen abgeschrieben hat, ohne diese Adaption aber an die über 200-jährige politische und juristische Entwicklung des Originals anzupassen, in seiner Staatsorganisation das Präsidentenamt installiert, das das Verfassungskonvent der realen USA einst vor Augen hatte: das eines besseren Frühstücksdirektors, in seiner innenpolitischen Bedeutung und Einflussmöglichkeiten klar und deutlich hinter dem Kongress und den Einzelstaaten angesiedelt, deren Aufgabe die Kreativarbeit, die politische Vision und Gestaltung war. Der Präsident sollte der Chefbürokrat, aber keinesfalls der materielle Führer der Nation (geschweige denn der "Freien Welt" o. ä.) sein. Die Anderson-McGarry-These vom Präsidenten als oberstem Aktivitätsgenerator und Innovator ist somit nicht nur bezogen auf das Spielprinzip der Micronationen an sich unhaltbar, sie ist von der astorischen Bundesverfassung (un-)bewusst nicht gewollt und verbaut. Da könnt ihr euch jetzt meinetwegen an den Händen fassen, singen und tanzen - es ändert nichts daran.
Und wenn du darauf jetzt erwiderst, dass aber all meine Vorgänger (außer dem vielgescholtenen Tyler Evans, natürlich...) hier die Puppen hätten tanzen lassen betrachte ich es als erwiesen, dass du einfach nur eine Frustration unbekannter, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fernab Astors liegender Ursache, an mir abreagieren willst, denn das stimmte so nicht. Vier Monate sind eine lange Zeit für die wenigen konkreten Handlungsmöglichkeiten der Administration, entsprechend unterlagen die Amtszeiten aller Präsidenten der jüngeren Geschichte, und mit ihnen die Aktivität ganz Astor, mehr oder weniger stark ausgeprägten zyklischen Schwankungen, und nahmen gegen Ende ihrer Amtszeit dabei in summa tendenziell ab, weil die Ideen verbraucht waren, sich personelle Engpässe einstellten und den Präsidenten auch eine gewisse Amtsmüdigkeit ereilte. Ich bitte nicht zu vergessen, heute ist mein fünfter Monat im Amt angebrochen, ich muss mit dem, was meine Vorgänger für vier Monate oder teilweise weniger zur Verfügung hatten, fünf Monate lang auskommen.
Auf die Gefahr hin, dass mir das bei nächster Gelegenheit innerhalb der Simulation um die Ohren fliegt sage ich ganz offen: natürlich habe ich mir für meine Amtszeit manches anders vorgestellt, bin ich nicht mit dem Lauf aller Dinge vollends zufrieden. Dabei mögen zweifellos auch Momente der Ablenkung, Demotivation und inneren Blockade eine Rolle gespielt haben, aber ich ziehe mir den Schuh nicht an, mir das als den prägenden Zustand meiner Amtszeit, und somit ein Verschulden für eine gegenwärtig natürlich spürbare Flaute in Astor unterschieben zu lassen. Und ich frage mich ebenso, wie zufrieden wohl z. B. die Repräsentantanhausabgeordneten, Senatoren und Gouverneure mit ihrer Arbeit insgesamt sind? Worin sie ihre aktiven Beiträge zur Simulation sehen, und was sie glauben dass sie alles noch besser hätten machen können, wenn ich was genau wie anders gemacht hätte? Endlich frage ich mich ohne ganz ohne Hohn und Zynismus, wie zufrieden meine einstigen Gegenkandidaten - da wie gesagt ohne Hohn und Zynismus verzichte auf die ketzerische Frage à la Anderson, wer das nochmal war - mit ihrer Oppositionsarbeit bislang sind?
Auch frage ich mich: wer in Astor sieht sein persönliches Soll an angemessenen Beiträgen für eine seinen Ansprüchen genügende, aktive und vielfältige Simulation ernsthaft und reinen Herzens erfüllt und ist der Meinung, schuld an allem was ihm nicht passt seien ja ausschließlich irgendwelche anderen, und notfalls oder eben gleich allen voran ich? Ich gestehe mir selbst durchaus ein, dass ich mir manchmal mehr Zeit, Energie und Kreativität wünschen würde - und das nicht erst seit meiner Präsidentschaft. Aber es scheitert eben nicht nur an in meiner Person liegenden Gründen, sondern ganz maßgeblich auch an strukturellen Problemen, die meines Erachtens deutlich erkennbar auch anderen Mitspielern, übrigens auch Spielern anderer Micronationen, durchaus zu schaffen machen.
Die micronationale Welt ist
etwas komplizierter als: "Der Regierungschef hat für Aktivität zu sorgen, und wenn er das nicht will oder kann, ist er eben ungeeignet und sollte seinen Posten zur Verfügung stellen - Punkt!" Der Präsident hat in Astor letztlich geringere Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten als die Inhaber manch anderer öffentlicher Ämter. Und auch diese haben mit ernsten Schwierigkeiten zu kämpfen ihre theoretischen Möglichkeiten auszuschöpfen, nicht weil sie fantasie- oder antriebslos wären, oder ihre Zeit in anderen Micronationen "verschwendeten", sondern weil sie ebenso in dem Dilemma einer eigentlichen Politiksimulation gefangen sind, in der aber Politik neben simulatorischer Korrektheit, falsch verstandener "Entbürokratisierung", Pedanterie, Strukturkonservativismus und letztlich eines beachtlichen Maßes der Abstumpfung der Mitspieler gerade gegen simulierte Politik nur noch eine Nebenrolle spielt...