Freundinnen und Freunde,
„Das ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile“, soll einmal ein kluger Mann gesagt haben. Und ich stimme dem zu.
Andere scheinbar nicht. So hat der reaktionäre Senator für Assentia, Kevin Baumgartner, Astor unlängst öffentlich als „föderalen Flickenteppich“ bezeichnet und kritisiert, dass es in den Staaten unterschiedliche Gesetzestexte gibt. Diese würden die Staaten zersplittern, sie damit schwächen – ich finde, der Föderalismus stärkt den Bund, die Staaten stärken die Vereinigten Staaten.
Wir leben nicht in einem Zentralstaat. Das geht schon aus dem Namen unserer Nation hervor. Seit Jahren schon leben wir in einem föderalistisch geprägten Staat, die konkrete Form könnte man quasi schon als „Föderalismus astorischer Prägung“ bezeichnen. Wir leben in einem Land, das von der Vielfalt lebt. Und wir leben in einem Land, in dem die Staaten prinzipiell wichtiger zu sein scheinen, als der Bund es ist.
Die Verfassungsväter haben die Staaten mit umfassender gesetzgeberischer Macht ausgestattet. Sie haben zugleich dem Bund einige wenige Bereiche eingeräumt, in denen seine gesetzgebenden Organe tätig werden sollen. Über die Jahre haben sich so völlig eigenständige Staaten herauskristallisiert, jeder mit seinem eigenen Charme, jeder mit seinen eigenen Reizen – für den einen reizvoller, für den anderen weniger reizvoll.
Vor einiger Zeit wurden aus acht Staaten nur noch sechs – Laurentiana und Serena traten auf die Bühne, Chan Sen, Peninsula, Hybertina und Savannah verließen eben diese Bühne. Die neuen Staaten wurden nicht zu bloßen Nachfolgern ihrer Vorgänger, nein - sie entwickelten eine Eigendynamik, sind durch ihre Vereinigung nicht nur flächenmäßig gewachsen und inzwischen wichtiger Bestandteil der astorischen Landschaft.
Ich halte diese Zusammenlegung nicht prinzipiell für falsch. Die Vorgängerstaaten waren zum Teil quälend inaktiv, es hat sich nicht viel auf ihren Gebieten getan. Die Fusionierung gab Astor frischen Wind, einen neuen Antrieb. Dennoch, finde ich, haben die Vereinigten Staaten etwas verloren. Das Gesicht Chan-Sens mit seiner Mutli-Kulti-Gesellschaft, das lockere Lebensgefühl Peninsulas, das in Serena immerhin weiterlebt, den Wirtschaftsmagneten Hybertina mit seinen zahlreichen, stark aussimulierten Unternehmen und das raue, irgendwie maskuline Savannah.
Inzwischen unterscheiden sich die Staaten, so mein Eindruck, vor allem durch die Politik ihrer Parlamente, der Lifestyle scheint etwas erloschen zu sein. Das muss kein Dauerzustand sein, aber auch jetzt schon zieht jeder Staat ganz unterschiedliche Menschen an. Liberale, Freigeister und Querdenker fühlen sich in Astoria State und Freeland wohl. Konservative finden ihre Heimat in New Alcantara und Serena, Assentia und Laurentiana befinden sich gefühlt in einem Umbruch. Überall gibt es etwas zu tun, überall gibt es etwas anzupacken, und überall gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten, sich einzubringen.
Ich habe lange Zeit Bundespolitik gemacht, war Innenminister, habe das Bürgeramt geleitet, war Senator für meinen Heimatstaat und Vizepräsident der Vereinigten Staaten. Aber immer wieder hat es mich zurückgezogen, in die Heimat, dahin, wo ich herkomme. Da, wo jeder etwas erreichen kann. Die Bundesebene hat auch etwas elitäres. In den Staaten kann jeder frei heraus seine Meinung äußern, wird jeder gehört, kann jeder aktiv mitgestalten. Dass davon nicht jeder Gebrauch macht, ist nicht ein Problem des Staates, sondern der persönlichen Einstellung.
Vor einiger Zeit wurde den Menschen in Astor durch die Einführung von State IDs die Möglichkeit gegeben, in mehreren Staaten mitzugestalten. Teilweise führte dies tatsächlich dazu, dass sich die Staaten in ihrem Profil einander angenähert haben, weil einige versucht haben, ihre Ziele nun einfach in alle Staaten zu tragen. Zu oft haben sich Menschen keine Gedanken mehr darum gepasst, ob ihre politische Meinung zu diesem Staat überhaupt passt. Hier liegt ein Problem, das die Staaten möglicherweise unattraktiv gemacht hat.
Aber ich sage euch: Es gibt immer noch reizvolle Unterschiede zwischen den Staaten. Mit meiner Politik der aktiven sozialen Sicherung, der Liberalisierung und der umfassenden Angebote des Staates, der sich damit als aktiver Staat zeigt, käme ich in Assentia wohl nicht weit; mit meiner strikten Politik bei Rauschgift würde ich in Freeland wohl keine offenen Türen einrennen. In Astoria State habe ich meine politische Heimat gefunden, sitze ich länger als irgendjemand vor mir in der Governor’s Mansion und habe ich vieles entscheidend mitgeprägt – und es gibt immer noch so viel zu tun, so viele Möglichkeiten, etwas zu erreichen!
Und so viele Möglichkeiten, einen Impuls zu setzen. Der föderale „Flickenteppich“, von dem Senator Baumgartner sprach, entsteht nicht durch das Vorhandensein von Staaten, sondern durch das Vorhandensein von Idealen. Wenn etwas für gut befunden wird, werden auch die anderen Staaten die Idee aufgreifen. Wenn aber etwas den eigenen Idealen entgegen läuft, wird man das dem anderen Staat zwar gönnen – selbst aber nicht umsetzen. So entstehen individuelle Lebensräume, die es zu nutzen gilt.
Statt darüber zu debattieren, den Staaten Rechte zu nehmen oder sie insgesamt zu schwächen, sollten wir viel lieber daran denken, dass es gerade diese Staaten sind, die Astor ausmachen. Wir sollten daran arbeiten, die Staaten in ihrem Profil zu schärfen und zu stärken, ihnen wieder ein deutlicheres Gesicht zu geben und nicht zu versuchen, sie einander anzugleichen.
Das ist auch mein Ziel als Gouverneur und als Parlamentarier in Astoria State: Dem Staat ein Gesicht zu geben. Ich möchte jeden bitten, seine Motive, in einem Staat politisch aktiv zu werden, zu hinterfragen: Möchte ich das Gesicht dieses Staates prägen – oder möchte ich ihm eine Maske aufsetzen, damit er einem anderen Staat ähnlicher wird? Nur das erste ist in meinen Augen eine gute Motivation, das zweite schwächt die Staaten und schwächt Astor.
Ein kluger Mann soll einmal gesagt haben: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile“. Ich möchte heute ein kluger Mann sein und das erweitern: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile, doch fehlt eines der Teile, so ist es nichts.“
Die Vereinigten Staaten ohne starke, eigenständige Staaten? Unvorstellbar, auch für die Zukunft.