*zipp*
Max: ...mittlerweile steht ein Zwischenergebnis fest: Rebecca Holden führt mit 32 zu 30 Elektorenstimmen vor Leo McGarry. Es kann jedoch noch zu Korrekturen kommen, da noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind.
Catie: Derweil begrüße ich nun einen wahren Hochkaräter, den Vater der Bundesverfassung und ehemaligen Gouverneur von Astoria State und Hybertina: Mr James B. Sherman. Willkommen im Studio!
Sherman: Guten Abend, Catie.
Catie: Mr Sherman, Sie waren Gouverneur von zwei Bundesstaaten, die heute nicht nur wegen der Gouverneurswahlen im besonderen Interesse der Zuschauer stehen. Der Kandidat der Democrats, Leo McGarry, war für etwa zwei Monate Gouverneur von Astoria State - waren Sie sehr enttäuscht davon, als Sie von seinem plötzlichen Rücktritt gehört haben? Und was halten Sie davon, dass er nun Präsident der United States werden möchte?
Sherman: Plötzliche Rücktritte von Gouverneuren sind in unseren Bundesstaaten ja leider keine Seltenheit, Catie. Wenn ich mir dieses Urteil aufgrund meiner langen politischen Erfahrung erlauben darf: McGarry hat mit Sicherheit Potential, ist ein charismatischer Redner und ein kreativer Gestalter. Aber ob er auch als fähiger Administrator taugt, ob er die notwendige Ausdauer für die oft dröge Alltagsroutine mitbringt, daran lässt mich seine Vorgeschichte in Astoria State doch zweifeln. Der Präsident unsere Nation sollte im Idealfall beides mitbringen: Charisma und Kreativität für das Vorzeichnen der großen Leitlinien, aber auch Geduld und Genauigkeit für die Bewältigung der täglichen Verwaltungsarbeit. Während McGarry bei letzterem Mängel aufweist, hat Holden eher im erstgenannten Bereich Defizite.
Catie: Im Democratic National Comitte steht man McGarry äußerst kritiklos gegenüber - ist man dort einfach nur froh, einen Kandidaten gefunden zu haben, der es mit den Republikanern aufnehmen kann?
Sherman: Das DNC machte zuletzt einen völlig ausgelaugten Eindruck. Wahrscheinlich war das demokratische Establishment einfach verzweifelt und sah keine andere Möglichkeit mehr, als auf seinen schärften Kritiker McGarry zuzugehen und ihm weitgehende Handlungsfähigkeit zu lassen. Ein Vabanque-Spiel, dass sich letztlich auszahlen könnte, wie wir anhand des unerwartet knappen Rennens heute abend sehen. Grundsätzlich - das sage ich aus der Sicht des Verfassungstheoretikers und nicht aus der des Republikaners - ist es begrüßenswert, dass sich die Demokraten durch McGarry wieder ein wenig berappelt zu haben scheinen. Unsere Verfassung basiert auf wechselseitiger Kontrolle der höchsten Staatsorgane, und diese Kontrollfunktion wird unterlaufen, wenn über längere Zeit eine Partei sowohl Exekutive als auch Legislative und Judikative dominiert.
Catie: Ähnlich würde Mr McGarry jetzt auch argumentieren. Er hält es mit der Farbenlehre aber nicht so konsequent und will in sein mögliches Kabinett auch Republikaner aufnehmen - ein geschickter Schachzug oder doch eher eine Verzweiflungstat, Mr Sherman?
Sherman: McGarry macht aus der Personalnot des DNC eine Tugend, indem er sich durch die Ankündigung eines überparteilich zusammengesetzten Kabinetts als Integrator präsentiert. Ein naheliegender und logischer Schritt, möchte ich meinen. Holden hat ja ähnliches angekündigt, und sie tut gut daran: Vor allem, dass die Republikaner derzeit keinen herausragenden, fähigen Juristen mehr in ihren Reihen haben, sehe ich als Schwachstelle - und das Bild der Jefferson-Administration hat unter diesem Kompetenzmangel in den letzten vier Monaten ja auch gelitten, denken Sie nur an die diversen Urteile des Supreme Court zulasten der Bundesregierung.
Catie: Es bleibt aber davon auszugehen, dass Rebecca Holden die meisten Kabinettmitglieder aus den eigenen Reihen besetzen wird. Das dürfte in der Natur der Sache liegen, denn die Republicans besitzen derzeit ja eine größere Personaldecke als die Democrats oder die Independents.
Mr Sherman, welche Prognose haben Sie für den Ausgang des heutigen Wahlabends? Wird den Democrats die Überraschung gelingen, die ihnen vor zwei Wochen noch niemand zugetraut hätte?
Max hört eine Anweisung aus der Regie:
Max: Wie ich soeben erfahren habe, gibt es eine weitere Korrektur des Ergebnisses. Rebecca Holden verliert 2 Elektorenstimmen. Es besteht ein 30-30 Gleichstand.
Sherman: Catie, wenn ich das wüsste, wäre ich unter die Hellseher gegangen. *lacht* Als Jurist halte ich mich lieber an Fakten. Klar ist derzeit nur eines: Diese Präsidentschaftswahl wird wohl so knapp wie schon lang keine mehr, ein Sieg für beide Parteien ist möglich. Ich drücke meiner Parteifreundin Rebecca Holden natürlich die Daumen - gebe ihr aber, sollte sie gewählt werden, den dringenden Rat, sich wieder intensiver um die Rechtspolitik zu kümmern. Nur, wenn die Republicans dauerhaft als Verteidiger unserer freien Verfassungsordnung auftreten, bleiben sie langfristig mehrheitsfähig.
Catie: Käme Ihnen ein Kandidat in den Sinn, der dies als Attorney General zu leisten vermag?
Sherman: Auf Anhieb nein, Catie. Die Tage eines Ulysses S. Finnegan auf republikanischer oder eines Ole Jann auf demokratischer Seite sind leider vorbei. Einen Politiker mit ähnlich ausgeprägtem juristischem Sachverstand sehe ich derzeit leider nicht in der astorischen Polit-Szene - aber lassen wir uns überraschen.
Catie: Uns bleibt nichts anderes übrig.
Mr Sherman, im Wahlkampf wurde deutlich, dass es in den politischen Lagern eine unterschiedliche Auffassung des Präsidentenamtes gibt: Die einen gehen davon aus, der Präsdient wäre faktisch nur mit administrativen Funktionen betraut und allenfalls in der Außenpolitik mit der Gestaltung betraut, die anderen sehen den Präsidenten als oberste Instanz der Ausgestaltung unseres Landes. Was sagt der Vater der Verfassung dazu?
Sherman: Die Wahrheit liegt - wie so oft - in der Mitte. Die Buchstaben der Verfassung bilden nur den groben Rahmen, innerhalb dessen sich die Verfassungswirklichkeit in verschiedenen Nuancen entfalten kann. Je nachdem, wie aktiv die Kongressmitglieder ihre Gestaltungsrolle als Träger der Legislative wahrnehmen, je nachdem, ob die parteipolitische Färbung von Kongressmehrheit und Weißem Haus übereinstimmt, kann der Präsident durchaus die Funktion des zentralen Taktgebers des politischen Geschehens auf Bundesebene einnehmen. Dass die letzten Präsidenten - trotz der für sie günstigen Voraussetzung eines freundlich gesinnten, da von der selben Partei dominierten Kongresses - nicht getan haben, könnte man ihnen, wenn man wollte, durchaus zur Last legen. Bzw. wenn nicht den individuellen Personen im Weißen Haus, dann der Republikanischen Partei als ganzer - denn schließlich ist sie seit zwölf Monaten die eindeutig dominierende politische Kraft.
Catie: Wer, glauben Sie, wird heute Abend die Wahl gewinnen und am 1. Juni in das Weiße Haus einziehen?
Sherman: Wie gesagt: Ich weiß es beim besten Willen nicht. Meine persönlichen besten Wünsche als Veteran der Republicans gelten natürlich Rebcecca Holden und Bob O'Neill.
Catie: Das sind klare Worte eines politischen Schwergewichts. Ihre Worte werden in der GOP sicherlich Wiederhall finden. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Einschätzungen, Mr Sherman.
Sherman: War mir ein Vergnügen. Auf Wiedersehen, Catie.
*zipp*