Verzeihung, Mr. Witfield, aber ich bitte Sie um ein Beispiel für einen "Fall der Fälle", in denen ein nuklearer Erstschlag wirklich nötig sein könnte - welcher Fall der Fälle rechtfertigt denn die unprovozierte Auslöschung einer Großzahl von Menschen?
Entweder verstehen Sie hier etwas falsch, oder Sie verdrehen etwas.
Bei der Ersteinsatzoption geht es nicht darum, einen feindlichen Staat oder Staatenbündnis mittels eines Nuklearschlages
anzugreifen. Sondern sich die Option offen zu halten, einen auch konventionellen Angriff gegen die Vereinigten Staaten oder einen ihrer Verbündeten mit einem Nuklearschlag zu
beantworten, wenn das strategisch geboten oder sinnvoll ist.
Es geht darum, Aggressoren keine Garantie zu geben, dass sie bestimmen dürfen, mit welchen Mitteln ein von ihnen gegen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten begonnener Krieg geführt werden wird.
Es geht darum, mit offenen Karten zu spielen. Darum, schon im Vorfeld jedes möglichen militärischen Konfliktes, der den Vereinigten Staaten oder einem ihrer Verbündeten von einem Aggressor aufgezwungen wird, klarzustellen, dass die Vereinigten Staaten sich und ihre Verbündeten mit den Mitteln verteidigen werden, die sie für sinnvoll oder geboten halten. Und nicht nur mit jenen, die der Aggressor ihnen zugesteht, indem er sie zuerst einsetzt.
Aggressoren gegen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten müssen wissen, dass jeder Angriff, gleich mit welchen Mitteln er geführt wird, die Gefahr eines Nuklearschlages als Antwort darauf birgt. Egal, ob sie selbst bereits Nuklearwaffen bei ihrem Angriff eingesetzt haben, oder nicht.
Die Ersteinsatzoption macht die Folgen eines Angriffs gegen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten für den Aggressor unberechenbar und unvorhersehbar. Er kann sich nicht darauf verlassen, die Folgen seines Angriffs begrenzen oder kontrollieren zu können.
Auf diese Weise werden potenzielle Aggressoren von einem Angriff gegen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten abgeschreckt. Selbst wenn sie glauben, ihr Kriegsziel allein durch konventionelle Militäroperationen erreichen zu können, und darum gar keine Nuklearwaffen einsetzen zu müssen - sie müssen damit rechnen, dass ihr Angriff mit einem Nuklearschlag beantwortet werden wird. Es gibt für sie keine Sicherheit, die sie selbst treffenden Folgen eines Angriffs zu begrenzen.
Zudem reduziert die offen kommunizierte Ersteinsatzoption die Gefahr eines tatsächlichen Einsatzes von Nuklearwaffen signifikant. Denn stellen Sie sich einmal vor, die Vereinigten Staaten werden von einem Aggressor mit konventionellen Mitteln angegriffen, verteidigen sich entsprechend einer Doktrin des Ersteinsatzverzichts ausschließlich mit konventionellen Mitteln - und im Laufe des Krieges zeichnet sich ab, dass die Vereinigten Staaten den Angriff mit konventionellen Mitteln allein nicht werden zurückschlagen können.
Was dann? Dann ist es die verfassungsmäßige Pflicht des Präsidenten, die Niederlage oder Kapitulation der Vereinigten Staaten durch den Einsatz von Nuklearwaffen abzuwenden. Weil seine Pflicht, für den Bestand und die Sicherheit der Vereinigten Staaten zu sorgen, Vorrang hat vor irgendwelchen gutgemeinten Versprechungen aus Friedenszeiten - die ganz offensichtlich von einem Aggressor ausgenutzt wurden, um die Vereinigten Staaten zu beseitigen.
Hätte man dem Aggressor hingegen schon im Vorfeld seines Angriffs unmissverständlich gesagt, dass wenn er die Vereinigten Staaten angreift, diese den Angriff auch mit einem nuklearen Gegenschlag beantworten werden, sofern sie dies zu irgendeinem Punkt des Kriegsverlaufs für strategisch sinnvoll oder geboten halten, ungeachtet der vom Angreifer eingesetzten Kampfmittel - dann wäre der Angriff mit einiger Wahrscheinlichkeit gleich unterblieben. Weil es für den Aggressor nie auch nur die Illusion der Möglichkeit gegeben hätte, den Krieg durch die Wahl seiner Mittel zu begrenzen, und die Vereinigten Staaten mit den in diesem Krieg "zulässigen" Mitteln zu besiegen.
Eine offen kommunizierte Ersteinsatzoption als Antwort auf einen Angriff gegen das Territorium, die Bevölkerung oder die Streitkräfte der Vereinigten Staaten oder ihrer Verbündeten bedeutet nichts anderes als die Gewissheit für jeden potenziellen Aggressor, dass die Vereinigten Staaten im Bedarfsfalle jedes ihnen zur Verfügung stehende Mittel nutzen werden, um sich und ihre Verbündeten zu verteidigen. Einschließlich des Ersteinsatzes von Nuklearwaffen.
Der Glaube, durch Erklärungen des Verzichts auf den Ersteinsatz von Nuklearwaffen verhindern zu können, dass Nuklearwaffen eingesetzt werden, ist charmant - aber leider irrational. Und bewirkt im schlimmsten Falle genau das Gegenteil. Nämlich den Einsatz von Nuklearwaffen, der durch eine klügere Abschreckungsdoktrin hätte verhindert werden können.