Commoner Bracewell,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
zu a: ich bin in der Tat der Überzeugung, dass die Assembly einen Anspruch auf eine ausführliche Rechtfertigung hat, insbesondere dann, wenn es Commoners gibt, die ganz offensichtlich schwere Bedenken gegen die Amtsführung des Speaker haben. Was die Ausführlichkeit angeht, so sind Sie mir übrigens mindestens ebenbürtig.
b: wenn ich hier an dieser Stelle ausführlich auf meine Amtsführung eingegangen bin, dann deswegen, weil ich den Eindruck hatte, dass Sie Ihre Kandidatur damit begründe haben. Wenn jemand meine Fähigkeit, das Am des Speakers dieser Assembly anhand meiner Entscheidungen anzweifelt, dann wird dieser mir wenigstens zugestehen, dass ich mich gegen diese Vorwürfe zur Wehr setze, und zwar dort, wo diese Äußerung vorgetragen wurde.
Ich denke, dass dies durchaus in Debatte um die Kandidaturen gehört.
Gerade als Neuling im parlamentarischen System habe ich mir die gesetzlichen Regelungen immer sehr genau angesehen und die notwendigen Formalitäten in - wie ich meine - sehr transparenter Weise deutlich gemacht.
Commoner Bracewell, sie sagten: "Mr. Speaker, dass die Debatte bereits vollkommen verzettelt ist. In diesem Thema nun sollen a) die Speaker-Wahl, b) eine Abweichung von den Standing Rules und c) die Auslegung der Bundesverfassung besprochen werden? Wenn Sie es sich zur Absicht gemacht haben, dass niemand mehr durchblickt, dann haben Sie gute Arbeit geleistet."
Also, ich kann mich wundern, wie Sie behaupten können, in dieser Diskussion nicht durchzublicken. Sie haben die Punkte, um die es geht, sehr deutlich und präzise benannt.
Zum zweiten Punkt, Commoner Bracewell, so verweise ich auf Article i Section 2 Subsection 2 der Standing Rules, wonach die Wahlleitung dann nicht vom Speaker ausgeführt werden darf, wenn er selbst kandidiert. Wir sind aber noch nicht im Wahlgang, sondern in der Phase der Anmeldung der Kandidaturen.
Zum dritten Punkt, Commoner Bracewell: meine Argumentation für den Antrag lautete dahingehend, dass bei einer Volksabstimmung über ein Amendment zur US-Verfassung, alle Commoners stimberechtigt wären, da es diesbezüglich keine äquivalenten Bestimmungen zu der gibt, wonach Commoners nicht stimmberechtigt sind, die nicht bereits vor Beginn der Debatte im Amt waren.
Ich habe auch aufgezeigt, dass Article III Section 2 Subsection 2 der Standing Rules es erlaubt, von der Geschäftsordnung abzuweichen.
Ein Antrag, wonach die Assembly eine entsprechende abweichende Vorgehensweise beschließt, ist keine - wie Sie es nannten - "ordre de mufti". Denn ein Mufti ist nicht auf die Zustimmung anderer angewiesen. Hätte ich eine "ordre de mufti" ausgegeben, hätte ich einfach verkündet, dass so verfahren wird, statt die Assembly um Zustimmung zu bitten.
Zu Ihrem vierten Einwand einschließlich Ihrer anschließenden Frage:
Zur historischen Auslegung: diese fragt nicht danach, wie eine gesetzliche Vorschrift in der Vergangenheit umgesetzt wurde, mit welchen Mehrheiten zum Beispiel die Assembly in der Vergangenheit Amendments der US-Verfassung verabschiedet hat, sondern fragt danach, was der historische Gesetzgeber gewollt hat.
Commnoner Bracewell, Sie fragen, warum ich nicht einen Verfassungsvater zitiere, der meine These stützt, und ich räume ein, dass die historische Auslegung eine nicht untergeordnete Rolle, wenn auch nicht die ausschlaggebende Rolle, spielt. Die Antwort ist recht einfach: Bis jetzt konnte ich die entsprechenden Gesetzesmaterialien nicht finden.
Sie sprechen des Weiteren die systematische Auslegung an. Diese fragt nicht danach, ob der Gesetzgeber bewusst oder unbewusst eine Lücke im Gesetz hinterlassen, die darin bestehen könnte, dass der verfassungsgebende Gesetzgeber nicht geregelt hat, mit welcher Mehrheit in den Bundesstaaten ein Amendment angenommen werden muss, sondern beruht auf dem Gedanken, dass die Rechtsordnung als Ganzes widerspruchsfrei aufgebaut sein muss. Wenn sowohl die US-Verfassung als auch die Verfassungen der einzelnen Bundesstaaten zwingend vorschreiben, dass die jeweiligen Parlamente Amendments mit Zwei-Drittel-Mehrheit angenommen werden müssen, dann ist die Rechtsordnung hier widerspruchsfrei. Ein Widerspruch innerhalb der Rechtsordnung wäre gegeben, wenn wir jetzt hingehen und, trotz der eindeutigen Aussagen aller Verfassungen, sagen, dass in den Bundesstaaten nur eine einfache Mehrheit notwendig ist.
Was die grammatikalische Auslegung, Commoner Bracewell, so dürften wir dahingehend einer Meinung sein, dass der Wortlaut von Article VII Section 3 Subsection 2 der US-Verfassung in der Tat keine Bestimmungen darüber enthält, mit welcher Mehrheit in den Bundesstaaten ein Amendment zur US-Verfassung verabschiedet werden soll. Mehr gibt meines Erachtens eine grammatische Auslegung nicht her.
Zur teleologischen Auslegung:
Bevor ich hierauf antworte, erlauben Sie mir, honorable Commoners, eine persönliche Bemerkung:
mir ist aufgefallen, dass in vielen Diskussionen, der eine oder andere Redner seine eigene Sich der Dinge als die absolute Wahrheit ansehen. Andere Meinungen, Ansichten oder Auslegungen werden häufig als falsch disqualifiziert, und derjenige, der diese andere Meinung vorträgt, als nicht qualifiziert oder - wie in dieser Debatte - als überfordert abgetan.
Ich erlaube mir an dieser Stelle den Appell an uns alle, sich, trotz aller Meinungunterschiede in der Sache, nicht dazu hinreißen zu lassen, den Andersdenkenden zu disqualifiieren, sondern sich auf die Kraft der sachlichen Argumente zu verlassen.
Nun aber zur teleologischen Auslegung: sie fragt in der Tat nach dem Sinn einer Rechtsnorm. Die Verfassung, honorable Commoners, ist nicht irgendein Gesetz, sondern die gesetzliche Grundlage unseres staatlichen Gemeinwesens. Nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf bundesstaatlicher Ebene, hat der jeweilige Verfassungsgeber für eine Änderung oder dem Hinzufügen von Zusatzartikel die Hürde der Zwei-Drittel-Mehrheit vorgesehen. Die Frage lautet in der Tat: warum? Meines Erachtens ist dies damit zu erklären, dass der Verfassungsgeber sicherstellen wollte, dass Änderungen der Verfassung nur auf der Grundlage einer breiten gesellschaftlichen Zustimmung erfolgen soll, um eine breite Akzeptanz der Verfassung in der Bevölkerung, und damit ein Höchstmaß an politischer Stabilität zu garantieren.
Diese breite Zustimmung kann aber nicht garantiert werden, wenn Entscheidungen über Verfassungsänderungen - ich sage es mal etwas zugespitzt - mit 51% zu 49% schon ausreichend sind: eine relativ kleine Mehrheit könnte gegen den Willen einer relativ großen Minderheit Änderungen oder Ergänzungen der Verfassung durchsetzen und bei häufigen Wiederholungen einen großen Teil der Bevölkerung in eine Fundamentalopposition zur bestehenden Verfassungsordnung treiben.
Es gibt aber noch eine fünfte Auslegungsmethode, die ich zwar nicht explizit angesprochen, aber doch angewandt habe, und das ist die vergleichende Auslegung. Die vergleichende Auslegung, honorable Commoners, vergleicht Gesetze, die das selbe regeln, fragt danach, wie sie es regeln, warum sie es gleich oder unterschiedlich regeln und was das konkret für die vorliegende Fragestellung bedeutet.
Die Fragestellung lautet: müssen Amendments zur US-Verfassung in den Bundesstaaten, wie in den beiden Kammern des US-Kongresses auch, mit Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet werden oder reicht ein Mehrheit von mehr als die Hälfte?
Honorable Commoners,
ich habe aufgezeigt,
1. dass Amendments zur US-Verfassung in beiden Kammern des US-Kongresses mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden müssen;
2. dass in allen anderen Bundesstaaten ebenfalls Zwei-Drittel-Mehrheiten notwendig sind, um die dortigen bundesstaatlichen Verfassungen durch Amendments ergänzen zu können;
3. habe ich das auf die fundamentale Bedeutung, die Verfassungen zukommen, erklärt und auf die Wichtigkeit für die langfristige breite gesellschaftliche Akzeptanz der verfassungsmäßigen Ordnung hingeiwesen, dass Änderungen oder Ergänzungen nur mit möglichst breiter gesellschaftlicher Zustimmung - eben mit Zwei-Drittel-Mehrheit - vorgenommen werden sollten.
Was die Erforderlichkeit an die Mehrheiten angeht, so beseht meines Erachtens kein Zweifel, dass die vergleichende Auslegung zu dem Ergebnis führt, dass die zur Debatte stehende Lücke in der US-Verfassung mit der analogen Anwendung von Article VII Section 1 Subsection 1 geschlossen werden muss.
Nun noch zu Ihrer letzten Äußerung, Commoner Bracewell.
Ich denke behaupten zu können, dass ich gute Gründe habe vorlegen können, warum ein Amendment zur US-Verfassung in den Bundesstaaten mit mindestens einer Zwei-Drittel-Mehrheit angenommen werden muss. Ob diese von mir vorgetragene Gründe dem einen einleuchten, dem anderen nicht, sei dahingestellt. Ich erwarte auch gar nicht, dass alle meine Auffassung teilen. Dass ich mich jedoch zwingend logisch vertan habe, dafür haben Sie, Commener Bracewell, den überzeugenden Beweis jedoch nicht erbringen können.
Um hier an dieser Stelle jedoch die Kandidatensuche abzuschließen, schlage ich vor, dass wir diese Debatte in der Morning Business Debate weiterführen, sofern weiterer Diskussionsbedarf besteht.
Bevor ich diese Debatte schließe, frage ich Commoner Kingston, ob er bereit ist, die anschließende Wahl des Speaker als Wahlleiter zu leiten.